Mir kam die MS dazwischen!

Rückblick: Mai, Juni 2017 –

Der Zeitplan zu Hormonbehandlung stand. Jetzt war Zeit sich auf meine Urlaubspläne zu freuen und Freizeitpläne zu schmieden. Mein Wohlfühlguru hat Ende Mai , am 26.05. Geburtstag und wir hatten uns noch einige kleine Projekte für den Garten und unsere Terrasse, die wir letzten Herbst gebastelt hatten, überlegt.

Wir bauten einen großen Tisch, wo alle Gäste Platz finden sollten. Natürlich sollte standesgemäß der Grill angeschmissen werden. (Mein Freund ist im Gegensatz zu mir kein Vegetarier).

Ich freute mich auf die kleine Party und die ersten Sommertage im Garten. Aber irgendwie war ich nicht fit. Es war seltsam.

Ich fühlte mich beim Sport oft hilflos und besonders bei Übungen wo das Gleichgewicht gefragt war, wollten einige Übungen einfach nicht mehr richtig klappen. Es fühlte sich an als würde etwas nicht stimmen. Ich fühlte mich errinnert an den Sommer 2016. Da war ich mit einem „Fast-Burn-Out“ für drei Wochen krank geschrieben worden. Damals fiel es mir schwer so richtig Schwungvoll den Tag zu bewältigen. Ich konnte einfach nicht mehr zügig die Treppen hoch laufen und fühlte mich unendlich schwach. Aber jeder hat mal schlechte Tage. Und so überwog definitiv die Freude über die kommenden Tage.

Am 24.05 machte ich vorbereitend für die Kinderwunschbehandlung einen Schwangerschaftstest. Meine Frauenärztin hatte es mir nahe gelegt, egal wie unwahrscheinlich mir die Situation vor kam.

NICHT SCHWANGER!

Die Hormonspritzen konnte ich also in der Apotheke bestellen.

Am 26.05. passierte es. Ausgerechnet am Geburtstag meines Freundes. Ich hatte nicht so gut geschlafen, wie schon seit einigen Tagen und war einige Zeit vor ihm aufgestanden.

Da wir einiges vor der Party zu erledigen hatten, wurde es irgendwann Zeit ihn aus dem Bett zu werfen. Ich schlich mich ins Schlafzimmer und küsste ihn mit Geburtstagsküssen wach. Als ich mich von der Bettkante aufrichtete wurde mir plötzlich so schwindelig. Das Schlafzimmer drehte sich so schnell um mich herum, dass ich einfach umkippte.

Mein Freund fragte ganz verdutzt was ich denn da machen würde.

“Keine Ahnung. Musste mich kurz hinlegen,“ lachte ich.

Ich stand wieder auf schüttelte mich und zählte auf was noch zu tun sei, und das es Zeit wäre los zu legen.

Ich war zunächst etwas unsicher auf den Beinen traute mich aber sogar nach dem Einkaufen, mit Zwischenstopp in der Apotheke, auf’s Motorrad. Ein Freund von uns, der das Hobby Motorrad fahren mit uns teilte hatte an dem Tag geheiratet und wir nahmen uns die Zeit ihm am Standesamt gebührend und lautstark zu feiern.

Wie das so ist, bei Partys gibt es vorab reichlich vorzubereiten. Für Ruhe war kaum Zeit und ich hatte Ruhe eh nie nötig. So rödelten wir fleißig umher. Meine Unsicherheit verflog im Laufe des Tages und ich hatte meinen Schwindelanfall fast wieder vergessen. Ich war lediglich etwas erschöpft, was aber nach dem unruhigen Nächten und dem aktiven Tag nicht verwunderlich war.

Gegen Abend, mit Einbruch der Dunkelheit kehrte die Unsicherheit zurück. Ich hatte keinen Allohol getrunken und doch kam ich mir Tabsig vor. Es kostete mich unnatürlich viel Konzentration die leer gegessenen Teller durch den Garten in die Küche zu tragen. Es war ein schöne Geburtstagsfeier. Irgendwann verabschiedete ich mich von der letzten Männerrunde und kuschelte mich in die Falle.

Als ich am nächsten Tag erwachte, war da irgendwie eine Muskelschwäche. Besonders beim linken Arm merkte ich es. Als wäre der Gedanke z.B die Finger zusammen zu führen nicht so flüssig. Fast so wie, “Mann ist der Rechner lahm“. Beim Gehen ist es am Vortag auch so gewesen. Die Reaktionszeit ist irgendwie eingeschränkt. Ich errinnerte mich, dass es vorrangig bei schlechter Sicht, mit vollen Hände schwerer war “vernünftig“ zu gehen. Irgendwie war das schwer zu koordinieren. Wie angesäuselt. Ich bekam wieder Angst, das dies eine Burnout Warnung war und  traue mich zunächst nicht es meinem Wohlfühlguru zu sagen. Ich wollte ihn nicht verunsichern.

Im Laufe des Tages meinte ich, dass es der linke Arm ist, der kraftlos und schwer ist. Irgendwie fiel mir die Feinmotorik schwer. Ich brauchte extrem viel Konzentration um den Arm zu steuern wie gewünscht. Mit Messer und Gabel essen war ein abenteuerliches Unterfangen. Nachdem ich testweise einige Sporteinheiten mit Liegestützen absolviert hatte, berichtete ich meinem Freund dann doch von meinem Armproblem. Die Kraft war noch voll da, so wie ich es gewohnt war. Ich dachte mir dass ein Nerv eingeklemmt sein könnte und fragte mich wie wichtig der linke Arm wohl für den Gleichgewichtssinn ist. Da wir erst Samstag hatten hoffte ich, dass Montag alles wieder im geregelten Gang wäre, sonst hätte ich mich bereit erklärt zum Arzt zu gehen.

Am Sonntag war der Arm immer noch faul und dem entsprechend ungeschickt verlief der Tag. Es nervte mich, dass ich so tollpatschig mit Messer und Gabel umging. Es ist erstaunlich wie häufig man die linke Hand benötigt. Allein das Handy zu halten kam mir schwer vor, weil der Arm immer absackte und ich dagegen halten musste. Zur Krönung des Tollpatschtages stürzte ich auch noch mit dem Rad (Leute – tragt Helme – wirklich!).

Zum Glück bin ich nie lange niedergeschlagen und so kam es, dass ich nachdem ich meine Schürfwunden im Bad versorgt hatte mit einem breiten Lächeln im Spiegelbild den Grummel vertreiben wollte.

Ich lächelte mich an doch das Spiegelbild lächelte nur so halb zurück. Die linke Seite machte nicht so richtig mit…

Verdutzt stiefelte ich ins Wohnzimmer grinste meinen Freund an und fragte ihn ob ihm was auffallen würde.

„WIR FAHREN INS KRANKENHAUS“

Ich lies mich widerwillig überreden. Fand es übertrieben, aber der Wohlfühlguru hatte ja recht, was wenn ich einen Schlaganfall hatte. Ich ging eh davon aus, dass wir stundenlang in der Notaufnahme hockten und dann unverrichteter Dinge wieder Heim fuhren.

Mal wieder hatte ich mich getäuscht. Ich wurde sofort untersucht und musste einige Übungen verrichten. Mit geschlossenen Augen auf die Nasenspitze tippen (ich hab sie nicht gefunden) und auch auf dem Rücken liegend die Beine angewinkelt im 90° (beim Sport sagen wir immer Table Top) hoch halten. Dabei stellte ich mit erschrecken fest, dass auch mein linkes Bein einfach absackte. Ab da war meine Ruhe vorbei. Mir kamen die Tränen und ich bekam Angst. Das Kleinstattkrankenhaus in dem ich war schickte mich direkt weiter in die City. Ich kam auf die Überwachungsstation mit Kameras, Monitoren und Messgeräten.

Am nächsten Morgen sollte ich sofort ins Schädel-MRT. Die Nacht war eh so gut wie ohne Schlaf verlaufen.

Um 7:00 Uhr stiefelte ich hinter einer Schwester durch Gänge Richtung MRT.

Ich war schon mal in einem MRT. Meine Schulter (haha, wieder links) macht mir immer mal Schmerzen. Daher wusste ich was auf mich zu kommt. Ich wurde unterrichtet, dass zunächst normal Bilder gemacht würden und nur wenn etwas ungewöhnliches entdeckt würde, würde Kontrastmittel gespritzt. Ich war glatt Stolz auf mich, dass ich daran dachte darauf hin zu weisen, dass ich kein Jodhaltiges Kontrastmittel bekommen durfte, so wie es mir die Ärztin im Februar aufgetragen hatte.

Ich hatte keine Angst vor der Enge und den Geräuschen im MRT. Auch, dass ich mich nicht bewegen durfte sah ich als unproblematisch an. Ich bin sehr gut darin Situationen aus zu blenden. Im MRT schließe ich die Augen, versuche ganz entspannt zu werden und konzentrierte mich auf meine Atmung. Das klappte großartig. Bis zu dem Moment wo eine Schwester mir zärtlich zuflüstert: “Bleiben sie ruhig liegen, wir geben jetzt Kontrastmittel. Das kann etwas kalt Am Arm sein und ist kein Grund zur Sorge“

Ja, das Kalte ist kein Grund zur Sorge. Aber dass überhaubt Kontrastmittel gespritzt wird ist ein Grund zur Sorge. Hatte nicht die Schwester vorhin gesagt, dass die das nur machen wenn etwas UNGEWÖHNLICHES auf den Bildern zu sehen ist. In meinem Hirn ist etwas ungewöhnlich!

Panik machte sich in mir breit. Ein Klos wuchs in meinem Hals und ich wollte Weinen. Meine Atmung ging so schnell, dass ich befürchte die Bilder würden verwackeln. Nochmal hätte ich das Stille liegen nicht ausgehalten. Zum Glück ging das MRT dann schnell zu Ende.

Ohne weitere Informationen wurde ich zurück auf mein Zimmer gebracht. Ich kam passend zur Visite in der mir mitgeteilt wurde, dass ich keinen Schlaganfall hatte und nun auf die Neurologischen Abteilungen verlegt wurde. Weitere Infos würden dann dort folgen.

Ab hier lies ich einfach nur noch alles geschehen.

Das MRT hatte gezeigt, dass es einzelne Entzündungen im Gehirn gab weshalb ich fix Kortison über einen Tropf bekam. Kortison kann für Schlafprobleme sorgen deshalb wurde ich direkt aan den Tropf gehangen, damit es nicht zu spät wurde. Woher die Entzündungen kamen kapierte ich nicht.

Ich wartete auf meine Ärztin, die sich für später am Tag angekündigt hatte und freundete mich mit meinen Zimmergenossinnen an.

Später am Tag erlärte mir meine Ärztin, dass sie im MRT eine große akute Entzündung in meinem Gehirn gefunden hatten. Dafür wollten sie mit weiteren Untersuchungen die Ursache finden. Mein Blut wäre bereits im Labor. Am späten Nachmittag war eine Lumbalpunktion geplant. Es gäbe verschiedene Möglichkeiten wie zB. Borilios, Menegitis, oder aber auch Multiple Sklerose.

Ich hörte zu, lies mich aber nicht beunruhigen. Ich bin nie krank. Das was die da suchten passte nicht zu mir. Ein Zeckenbiss… Ich hatte nichts mitbekommen und hielt es für unwarscheinlich. Aber sollten sie mal suchen.

Ich bat die Ärztin noch, dass sie bei der Sichtung der MRT Bilder noch mit den Radiologen auf meine Hypophyse schauen solle. Wenn ich schon mal da war könnte man ja mal schauen ob da was der Auslöser für die verschwundene Mens ist.

Erst am nächsten Tag wurde mir bewusst, dass ich meinen Trip mit meinen Freundinnen nach Schloss Neuschwanstein wirklich kanzeln musste. Ich hatte bis zuletzt gehofft noch rechtzeitig aus dem Krankenhaus zu kommen.

Es wurden Messungen vorgenommen und weitere Untersuchungen wieder mit Bewegungstests vorgenommen. Ich war interessiert und lies mir viel erklären. Alle waren nett zu mir, aber was sie da suchten fragte ich mich irgendwie nie. Ich lief meine Stationen und Termine ab und wartete auf die Ärztin mit ihren Untersuchungsergebnissen. Als sie mir mitteilte, dass Menegitis ausgeschlossen ist und alle weiteren Untersuchungen sich Richtung MS konzentrieren, kam auch diese Aussage nur sehr zögerlich bei mir an.Es waren noch nicht alle Testergebnisse eingegangen und so lange war ich noch vollkommen zuversichtlich. Viel Interessanter war die Information, dass an meiner Hypophyse ein “Signal“ (so nannte es die Ärztin) zu sehen war. Sie legte mir Nahe dieses Signal mit meiner Gynäkolog in zu besprechen. Ich rief noch im Krankenhaus meine Gynäkolgin anrief und erzählte ihr von der Aussage der Radiologen und dass ich im Rezept des Medikaments für die Kinderwunschbehandlung gelesen hatte, dass eine Veränderung wie zB. ein Tumor an der Hypophyse ein Grund wäre, dass das Medikament nicht gespritzt werden dürfe. Meine Gynäkologin riet mir davon ab jetzt die Behandlung aus zu führen. “Bekommen sie erst die MS in Griff und dann sehen wir weiter.“

Die immer mit ihrer doofen MS. Was hatten die nur alle…

(Weitere 2 Tag später wurde ich zu einem Termin zur MS-Schulung geschickt. Ich hörte interessiert zu, was mir die Schwester berichtete verstand aber nicht, warum ich mir das alles anhören sollte. Was hatte das mit mir zu tun?

Ein wenig recherchierte ich danach dann doch über diese Kranheit noch im Krankenhaus am Handy, aber ich konnte die Gedanken nicht zulassen, das es mich betraf.

Nach 5 Tagen Aufethalt wurde ich erst einmal entlassen. Die Untersuchungen und auch die Cortisontherapie waren soweit abgeschlossen. Allerdings gab es noch keine abschliesende Diagnose, da noch die Laborwerte der Lumbalpunktion ausstanden.

Für die Folgewoche wurde ein Termin zur Diagnosebesprechung, sowie eine anschliesende MS-Schulung mit Medikationsmöglichkeiten vereinbart. Ich fragte ob wir den Termin dann einfach kurzfristig absagen können, wenns doch nicht MS ist.

“Es deutet alles auf MS, die auswertung der Lumbalpunktion ist ein fehlendes Glied in einer Reihe von Untersuchungen, die dieses Ergebniss sichern soll.“

Ich wurde mit der vorläufigen Diagnose CIS entlassen.

CIS – hääää.

Auf meinem Vorläufigen Entlassungsbericht stand CIS (Klinisch isoliertes Symptom) Das war nicht sehr hilfreich. Das ist keine gesicherte MS Diagnose. Die Diagnose, gilt erst als gesichert, wenn man sicher einen zweiten Schub vorweisen kann. Dieses CIS wurde ins Leben gerufen, weil es viele Menschen gibt, die nur 1x im Leben einen Schub hatten, aber gern eine Basistherapie beginnen wollen. Ein früher Beginn der Therapie ist wichtig um möglichst lange in der ersten Phase der MS zu bleiben. Diese erste Phase beinhaltet gelegentliche Schübe, wo die ausgelösten Schäden und Beeinträchtigung sich jedoch wieder voll oder zum Großteil zurück bilden. Zwischen den einzelnen Schüben können Wochen oder aber auch mehrere Jahre vergehen. Da auch bei mir kein zweiter Schub nachweisbar ist, stand also dieses CIS bei mir als Diagnose auf dem Zettel.

Bei den zahlreichen Untersuchungen, habe ich auch von meinem Fast-Burn-Out erzählt. Die Ärztin deutete an, dass dies wohl eher ein Schub war, kann dies jedoch nicht mit Sicherheit sagen, da ich damals ja nicht im Krankenhaus war. Im MRT zeigte sich durchaus altes Narbengewebe im Hirn.

Mein Arm leistete kaum noch Widerstand und die Physiotherapeuten im Krankenhaus hatten mir erklärt, dass das was schwer ging wieder neu erlernt werden kann. Ich hatte das Gefühl, dass ich bereits im Krankenhaus gut Fortschritte gemacht hatte. Das Kortison bzw. das nicht mehr vorhandene Kortison machte mich müde. Essen schmeckte metallisch und ich hatte Magenkrämpfe und Durchfall. Ich war sentimental und lies langsam den Gadanke zu, dass ich MS haben könnte.

Trotzdem hielt ich mich noch weitere 5 Tage, dann sollte ein Abschließendes Diagnosegespröch stattfinden, an der Hoffnung fest, dass noch ein Untersuchungsergebniss ausstand.

Natürlich änderte sich nichts durch dieses extern geprüfte Ergebniss der Nervenflüssigkeit. Wacker nickte ich mit dem Kopf während die Ärztin mir offen legte, dass dieses CIS bedeutet, dass es fast eine MS ist, sie aber nun mal erst nach einem weiteren klar belegtem Schub von einer MS sprechen könne. So ist es laut Diagnosevorschriften festgesetzt.

Nachdem mir in der Schulung zahlreiche Medikamente vorgestellt wurden, die allesamt in Form von Spritzen eingenommen werden mussten fuhr ich mit schwirrendem Kopf nach Hause.

Die Entscheidenden Parameter für die Medikamentenauswahl waren solch Sachen wie,

  • Wie oft in der Woche spritzen?
  • Wo rein spritzen, in Fett oder Muskeln?
  • Lagerung im Kühlschrank oder nicht?
  • Ist eine Verschreibung für 3 Monate möglich?
  • Wie hübsch ist die Injektionsform?

Ich saß vor der Auswahl und fand es alles nur lächerlich. Ich will keine Medikamente nehmen. Für den Rest meines Lebens. Keine Spritzen. Ich bin nicht krank. Es geht mir gut…

… dann brach ich zusammen.

Ich weinte, ich wurde wütend ich simpfte mit meinem Körper, ich verstand nicht wieso mir das passiert war. Mein Wohlfühlguru gab mir halt.

Hinterlasse einen Kommentar